Ja, auch wir pokern!

Erst dachten wir: nette Spielerei, doch inzwischen sind wir alle angefixt:
Das Delegationspoker-Spiel ist eine wunderbare Methode, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsfreiräume mit Teams spielerisch zu erforschen. Das Kartenspiel ermöglicht Transparenz und entlastet so alle Beteiligten. Es veröffentlicht, wie viel Selbstorganisation möglich und gewünscht ist und verbessert die Verständigung, weil die Mitspielenden zukünftig eineindeutiger sprechen. In diesem Blog stelle ich den Delegationspoker und die sieben Modi des Delegierens vor, beschreibe zwei mögliche Spielvarianten und stelle ein paar Fragen vor, die
die Nachhaltigkeit der Erkenntnisse vorbereiten.

Meta-Verständigung erhöhen

Der erste erhellende Moment, wenn wir mit dem Delegation Poker arbeiten, ist oft die Erkenntnis, dass das Übertragen von Verantwortung nicht als „entweder-oder“ strukturiert ist.

  • Die ersten drei Modi funktionieren nach der Prämisse: Ich entscheide, aber ich beziehe Dich oder Euch im Team mehr oder weniger mit ein.
  • Die letzten drei Modi sagen: Du entscheidest bzw. Ihr entscheidet, aber Ihr bezieht mich (als Führungskraft) mehr oder weniger mit ein.
  • Und der Modus Vier lautet: Wir finden gemeinsam eine Entscheidung.

Manchmal arbeiten wir nur mit dem Flipchart und diskutieren, wann welche Form der Delegation nötig ist. Das ist oft schon sehr erhellend. Das
Kartenspiel zücken wir dann, wenn das Thema Selbstorganisation im Fokus steht oder wir den Eindruck gewinnen, dass die Vorstellungen der Anwesenden bzgl. Verantwortung sehr unterschiedlich sind und dafür bisher keine gut verstehbaren Worte gefunden werden können. Denn mit dem Pokerspiel werden auf spielerische Weise Entscheidungsprozesse besprechbar, Verantwortlichkeiten verteilt und neue Handlungsregeln aufgestellt. Im Anschluss sind alle Beteiligten bewusster und können präziser (ein)fordern, was sie brauchen.

Wir spielen

Entscheidungssituationen

Um spielen zu können, benötigen wir konkrete Entscheidungssituationen aus dem Arbeitsalltag. Entweder haben wir in der Auftragsklärung diese bereits erhoben oder die Anwesenden erarbeiten in der Veranstaltung, welche Entscheidungssituationen in den letzten Wochen und
Monaten unklar waren.

Die Entscheidungssituationen sind idealerweise auf folgende Weise beschrieben:

Konkrete Situation (Zuständigkeiten, Rollenunklarheiten, unklare Entscheidungskompetenzen, unklare Erwartungshaltungen)

Beteiligte Akteure (FK und ein konkretes Teammitglied, verschiedene Teammitglieder, das gesamte Team etc.)

Zwei Settings

1. Fishbowl

Die erste Situation wird gewählt.
Die darauf benannten Akteure begeben sich in die Fishbowl, weitere Plätze
werden zufällig besetzt, so dass 7 Spieler im Fishbowl sitzen. Die
Nicht-Situationsbeteiligten Mitspielenden bringen eine Außenperspektive ein, die vor allem in Konflikt besetzten Situationen normalisierend wirken kann.

Alle anderen verbleiben in der Beobachter*innenrolle und umrahmen die Fishbowl.

2. Alle Anwesenden sind in Aktion

Gruppen von fünf bis sieben Personen versammeln sich um einen Pokertisch und bekommen zeitgleich je eine Situation vorgelegt (egal, ob sie an dieser beteiligt sind oder nicht)

Vorgehen

Alle Spieler*innen betrachten die Situation aus der Perspektive der Führungskraft bzw. der Entscheidungsgeber*in. Also: Die Abteilungsleiterin spielt die Karte, die sie gerne im echten Leben zücken
möchte, der Mitarbeiter zückt die Karte mit dem Modus, den er sich von seiner Leitung erhofft.

  • „Wenn ich das delegieren würde, dann wäre folgender Modus in meinen Augen angemessen: …“
  • „Wenn meine Führungskraft das an mich delegieren würde, dann fänge ich folgenden Modus angemessen…“

Jede*r Spieler*in erhält ein Kartenset, bestehend aus sieben Karten: den sieben Delegationsmodi.

Jede*r wählt aus seinen Karten die entsprechenden Modus und auf Komando werden die Karten alle in die Mitte geworfen.

Arbeitsauftrag

Betrachtet die Einschätzungen und diskutiert die unterschiedlichen Betrachtungsweisen. Diejenigen mit der niedrigsten und höchsten Karte beginnen.

  • was genau hat mich dazu bewogen, diesen Modus zu wählen? Was brauchen wir voneinander, von Führung, wenn wir da so machen würden?
  • Welche ähnlichen Situationen kommen uns in den Sinn, die den jetzt diskutierten ähnlich sind? Was schlussfolgern wir für diese Situationen?

Wenn ausreichend diskutiert wurde, kann zur nächsten Entscheidungssituation übergegangen werden.

Abschließend kann auf der Metaebene noch diskutiert werden:

  • worauf können wir uns einigen, wo bleiben wir im Dissens?
  • Wie gehen wir zukünftig mit dem Dissens an dieser Stelle um?
  • Wie halten wir die unterschiedlichen Wünsche von Freiheitsgraden und Verantwortungsübernahme gut aus?
  • Wie erinnern wir uns bei zukünftigen Entscheidungssituationen an die sieben Modi und veröffentlichen unsere Vorstellungen?

Nehmen wir also Friedrich Schiller beim Wort: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“ – und pokern wir lustvoll um Entscheidungen!

Vanessa Krüger