Wieso eigentlich Generative Prozessbegleitung ?

Als wir anfingen für unsere erste Weiterbildung „Generative  Prozess-begleitung“  Teilnehmer*innen zu finden, begegnete uns oft die Frage: „Generativ…, he?“ „Hat das was mit Generationen zu tun?“ Und sehr schnell kamen Rückmeldungen: „Dieser Titel, also nee, …“  Wir sind dennoch dabei geblieben.

Unsere Geschichte dazu ist folgende: 2009 beschäftigten wir uns mit Otto Scharmers  Theorie U und in der angewandten Praxis daraus entstanden eine Bürogemeinschaft und die Gesunde Karriere. Seine zukunftsgenerierende Methode brachte uns als professionelle Arbeitsgemeinschaft zusammen.

Die der Theorie U zugrundeliegende Frage lautet: „Wie können wir aus der im Entstehen begriffenen Zukunft heraus handeln und wie aktivieren wir die tieferen, schöpferischen Schichten des sozialen Feldes?“.  Diese Frage bewegte und bewegt uns heute weiter.

„Generativ (zu lat. generare‚ erzeugen‘, ‚hervorbringen‘) bedeutet „erzeugend“ bzw. bezeichnet allgemein die Eigenschaft, etwas hervorbringen zu können. (Wortlexikon)“

Über das Buch von Scharmer mit seinen Hintergründen und Praxisempfehlungen schreibe ich Euch ein anderes Mal mehr. Hier sei nur erwähnt, dass eine der Zukunft-erschaffenden Qualitäten, die Scharmer in seinem Buch herausstellt, das generative listening ist, die höchste Stufe des Zuhörens. Dieses schöpferische  Zuhören vereint achtsame Wahrnehmung mit kreativer Inspiration. Diese Annahme Scharmers hat von Beginn an unsere Arbeitsweisen und Sichtweisen für die Arbeit als Prozessbegleiterinnen beeinflusst. Unsere Erkenntnisse und
Praxiserfahrungen fließen jetzt auch in unsere Weiterbildung ein.

2016 haben Ulf, Vanessa und ich gemeinsam an der Weiterbildung „Generativ Coaching®“ bei Stephen Gilligan und Robert Dilts in Köln teilgenommen. Auch bei dieser faszinierenden Veranstaltung ging es um die Frage, wie wirklich Raum für neues Denken geschaffen werden kann, in Köpfen und Herzen von Individuen und Organisationen.  

Die Inhalte unserer Weiterbildung für Prozessbegleiter*innen waren zu diesem Zeitpunkt schon zu Ende gedacht. Aus den Schulen von Systemischem Denken, Hypnosystemik und NLP haben wir inhaltlich die Ideen und Methoden aufgegriffen, die unserer Erfahrung nach die Erschaffung von neuem begünstigen.  Eine Erkenntnis aus der Erfahrung bei Gilligan und Dilts war: Wir befördern mit unserem Denken und Tun Generativität. Jetzt hatten wir den passenden Begriff zur Präzisierung unserer Weiterbildung für Prozessbegleiter*innen gefunden.

Wir gehen davon aus, dass Menschen über die Fähigkeit generativ zu denken und zu handeln verfügen. Für uns heißt das, Zukunft kann mit dem eigenen Denken und in Synergie mit anderen geschaffen und gestaltet werden. Ein generativer Prozess bezieht die Sichtweisen und Perspektiven eines weitgefassten Umfeldes mit ein.
Umfeld meint hier auch z.B. Systeme, Ressourcen und andere Menschen. Für Organisationen und Individuen gilt gleichermaßen: Neues wird aus einer bereits angelegten Struktur (des Denkens) generiert. Der Raum für Neues entsteht aus den Ressourcen, die bereits vorhanden sind.

Manchmal stehen Ressourcen noch nicht bewusst zur Verfügung. Um diese im generativen Prozess aufzuspüren, ins Bewusstsein zu holen und dort zu verankern brauchen Menschen ein hohes Maß von Selbst-Bewusstsein.  Dabei ist es ungemein hilfreich, neugierig zu sein. Aber die geübte Wahrnehmung von körperlichen, somatischen und emotionalen
Zuständen sind dem Schaffen von neuem zuträglich! Aus einer in sich
zusammengesunkenen Sitzposition heraus entsteht keine neue Idee. Für uns bedeutet diese Erkenntnis  auch: Settings für Einzelne und Gruppen zu kreieren, in denen es Denk- und Bewegungsräume  gibt, wo Platz für Neues ist.

Und was wäre eigentlich anders, wenn wir davon ausgingen, dass Zukunft als neue Praxis ist schon da, nur noch nicht im unserer Gewohnheitswelt?

Wenn Euch das auch interessiert, es gibt einen nächsten, sechsten (!) Durchgang, Start Mai 2023.

Literaturtipps zum Thema:

Scharmer C. Otto, 2009 Theorie U – von der Zukunft her führen, Carl Auer Verlag 2009,

Gilligan, Stephen, 2014, Generative Trance – Das Erleben kreativen Flows, Jungfermann

Antje Mein

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Sebastian

    …da werde ich glatt noch mal ein bisschen bei Otto Scharmer stöbern gehen – danke für die Einblicke 🙂

    1. Antje Mein

      Danke, lieber Sebastian, vielleicht hast Du Interesse Otto Scharmer in Aktion zu sehen: auf der Mitgliederversammlung der GLS Bank 2019 hat er zum Thema Bewusstseinsbasierte Systemveränderung gesprochen, sehr beeindruckend, kannst Du da sehen: http://www.gls.de/privatkunden/gls-bank/gls-jahresversammlung-2019/
      Die Präsentation von Otto Scharmer zu seinem Vortrag kannst Du auf der Website des Presencing Institutes finden.

  2. Anne von Winterfeld

    Beim Lesen des Textes habe ich spontan mein aktuelles Zuhörverhalten überprüft und bin überrascht bis entsetzt, in welchen Situationen ich volle Präsenz schenke und wann ich nur downloade. Danke für die Erkenntnis und danke überhaupt für den Text. Der hat mir sowohl die Verbindung von Theory U und Generativem Denken nochmal deutlich gemacht als auch inspiriert, in meinen beruflichen Netzwerken noch generativer zu agieren. So wie ich es mit Euch schon mache!

  3. Katrin

    Wie praxisbezogen und spannend ein so dickes Buch mit dem Titel „Theorie U“ sein kann! Ich verstehe gut, dass Euch das inspiriert und geprägt hat. Eure Fortbildung hat mir Türen zum generativen Denken, Fühlen und Handeln geöffnet, und Otto Scharmer hat mich noch einmal neu verstehen lassen, was für Phänomene mir im Alltag dann eben doch häufig begegnen: Zuhören als „herunterladen“, Kommunikation im Modus „ich bin mein Standpunkt“. Selbst zu erleben wie eine generative Prozessbelgeitung diese Phänomene einordnen, willkommen heißen und liebevoll „am U entlang“ zum Schöpferischen hin ausrichten kann – toll! Generative Prozessbegleitung macht definitiv Lust auf Zukunft! Danke, Gesunde Karriere, und danke Otto Scharmer!

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